Kaiserwetter

Entgegen meiner Ankündigung habe ich den Fuß noch nicht vom Gaspedal genommen. Zwei Tage in Nelson und ebenso nur zwei Tage in (ja der Ort heißt wirklich so) Franz Josef. Vereinfacht gesagt: immer im Wechsel ein Tag Busfahren, ein Tag wandern. Das war sogar noch schöner, als es sich anhört. In Nelson überzeugte vor allem das für hiesige Verhältnisse günstige Hostel. Das lag nicht zwingend am Ambiente, dem Komfort oder nettem Personal. Tatsächlich trat der Besitzer zumeist ausschließlich durch lautstarke Schimpftiraden in Erscheinung. Nein, der Pluspunkt war vielmehr, dass ich meinen Schlafsaal in beiden Nächten ganz für mich allein hatte. Das hat Seltenheitswert. Schließlich ist gerade absolute Hochsaison. Damit sind wir schon beim Thema und gleichzeitig dem Grund, warum ich diese beiden Orte in bester Erinnerung behalten werde. Denn obwohl hier im Moment Ferien sind und deshalb nicht nur Massen ausländischer Touristen herumlaufen, sondern zusätzlich das halbe Land auf Achse ist, gelingt es einem doch, sich kurze Augenblicke zu schaffen, die man ganz und gar für sich allein hat.

In Nelson war das (abgesehen von den Stunden im Zimmer) beim Spaziergang zum Centre of New Zealand der Fall. Zur Erklärung: Die Stadt im Norden der Südinsel rühmt sich damit, das geographische Zentrum des Landes zu sein. Man kennt ähnliche Orte dieser Kategorie, die todlangweilig und Touristenfallen erster Güte sind. Das ist hier nicht der Fall. Ein gut ausgeschilderter Wanderweg führt einen zunächst am Fluss entlang und strategisch clever ist das Zentrum Neuseelands auf einem Hügel platziert, der ein fantastisches Panorama bietet. Ich komme dort oben an … und außer mir keine Menschenseele. Ein Traum. Für diese Momente bin ich hier.

Auch in Franz Josef gab es so einen, aber dazu gleich mehr. Zuerst stand auf dem Weg dorthin eine der mit zehn Stunden längsten aber auch schönsten Busfahrten meiner Reise an. Größtenteils führte die Strecke an der Westküste entlang. Inklusive eines Abschnitts, der, wie Busfahrerin Chris uns wissen ließ, von Lonely Planet als eine der zehn schönsten Küstenstraßen der Welt gelistet wird. Überhaupt zeichnen sich sämtliche Busfahrer durch ihre Qualitäten als Tourguides aus, was die Fahrten sehr informativ und unterhaltsam macht. Zurück zur Strecke. In der Tat, für die Landschaften, die auf dem Weg von Nelson nach Franz Josef zu sehen sind, kann man die Superlative und Worte wie „malerisch“ oder „atemberaubend“ schon herausholen. Mir ist es sogar gelungen, ganz ordentliche Bilder aus dem Bus heraus zu knipsen. Auch wenn es natürlich schöner gewesen wäre, zwischendurch anzuhalten.

Einen hochinteressanten Stopp gab es aber. Dieser erfolgte in Punakaiki. Wieder ein Ereignis der Kategorie unverhofft kommt oft. Die dortige Attraktion, die soganannten Pancake-Rocks (Felsformationen, die aussehen wie übereinandergestapelte Pfannkuchen), hätte ich guten Gewissens ausgelassen. Aber unsere Mittagspause wurde just an diesen Ort gelegt. Die Sache hatte nur einen Haken. Wir wurden mit dem Hinweis aus dem Bus entlassen, dass der Rundweg zu den Felsen 20 Minuten in Anspruch nimmt und wir in 25 Minuten weiterfahren müssen. Zeitlich reichte das also. Nur hatte dieses Limit zur Folge, dass ich mich zum ersten Mal wie ein richtiger Tourist fühlte. Klar, ich bin ein Tourist, machen wir uns nichts vor. Aber ich meine die schlimmste Sorte von Tourist, ich nenn sie jetzt einfach den To-do-Listen-Touri. Will heißen, man fährt soviele der (meistens nach Meinung des Reiseführers) wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab, macht kurz seine Fotos und kann dann behaupten, man wäre dort gewesen. So in etwa kam mir das in diesem Moment war. Aber hey! Ich war bei den Pancake-Rocks und hab super Bilder geschossen!

Dann kam ich also in dem kleinen Ort Franz Josef am Fuße des gleichnamigen Gletschers an. Schon von der Terrasse des Hostels aus war der Ausblick auf die Bergkulisse wunderschön. Natürlich kann man dem Gletscher aber noch deutlich näher kommen. Wie in Neuseeland üblich bieten sich dafür viele Möglichkeiten. Auf der einen Seite die von mir bevorzugte Variante, kostenlose Wanderwege zu verschiedenen Aussichtspunkten abzugrasen. Für das andere Ende des Spektrums gilt sowohl inhaltlich als auch finanziell: „Sky is the limit“. So kann man (zumindest in Franz Josef) nur dann eine richtige Gletscherwanderung machen, wenn man sich mit dem Helikopter hinfliegen lässt. Da bleib ich dann doch bei meiner Null-Euro-Tour. Die habe ich mir spontan vor Ort aus den vielen verfügbaren Wegen zusammenkombiniert. Heraus kam dabei eine sehr schöne, knapp achtstündige Wanderung bei stets strahlendem Sonnenschein.

Meinen oben bereits angekündigten magischen Moment hatte ich dabei am Lake Wombat. Den ca. 45 Minuten langen Weg dorthin nehmen scheinbar nicht ganz soviele Besucher auf sich. Ich war wieder ganz allein dort (für völlig ausreichende zehn Minuten jedenfalls). Der See, rundherum dichter Urwald und Vogelgezwitscher. So richtig schön kitschig. Dass man sich in diesen Augenblicken nicht vollkommen verliert, dafür sorgt dann der Helikopter, der über einen hinweg Richtung Gletscher fliegt.

So darf es gern weitergehen. Nächster Halt ist Wanaka