Vom schönsten zweiten Platz meines Lebens

Wie schon in Arequipa ist es mir auch in Puno gelungen, mich fernab der Touristenmassen einzuquartieren. Das hatte aber weniger mit Kalkül als vielmehr mit Bequemlichkeit und einer daraus resultierenden schlechten Informationslage zu tun. So oder so, es ist immer ganz schön, der einzige Gringo in der Gegend zu sein und darüber hinaus lebt es sich auch billiger. Wobei billiger hier relativ zu sehen ist. Man bekommt in diesem Land wahnsinnig viel für sein Geld. Wenn man dann einmal vier Euro für eine Mahlzeit zahlt, hält man das schon für Wucher, aber das nur am Rande.

Puno am berühmten Titicacasee hat als Stadt ziemlich wenig zu bieten. Lohnenswerte Ausflugsziele sind hingegen die Inseln im größten See Südamerikas. Sagt man zumindest. Ich hatte nicht wirlich Lust darauf und hab sie mir nicht angesehen. Insofern waren die beiden Tage in Puno nicht der Rede wert, aber der Vollständigkeit halber wollt ich es mal erwähnt haben. Dafür war mein nächstes Ziel umso spannender. Cusco, im Herzen des peruanischen Hochlands gelegen, ist das absolute Muss für jeden Besucher des Andenstaates. Als unumstrittenes kulturelles Zentrum des Landes lockt die Stadt mit vielen bedeutenden Stätten aus der Zeit der Inkas. Allen voran natürlich: Machu Picchu.

Ein lang gehegter Traum von mir, diesen Ort einmal zu sehen. Nun galt es ihn wahr werden zu lassen. Die Möglichkeiten nach Machu Picchu zu gelangen, sind sehr vielfältig. Es gibt Busse, es gibt Züge, es gibt den Inka-Trail und man munkelt, es sei sogar möglich, einige Streckenabschnitte mit dem Mountainbike oder per Rafting zu bewältigen. Meine Wahl fiel auf die Low-Budget-Variante Bus plus Laufen und ich würde es jederzeit wieder so machen.

Im Detail lief das ganze so ab: Mit dem Bus ging es in gut sechs Stunden von Cusco nach Hydroelectrica. Der Weg dorthin ist wieder einmal nichts für schwache Nerven. Flüsse, die über die Straße führen und Felsen, die über die Straße ragen. Man hat nicht wirklich das Gefühl, dass Fahrzeuge hier verkehren sollten, aber sie tun es und das in beide Richtungen. Und es funktioniert. Von Hydroelectrica aus läuft man entlang der Gleise zwei Stunden lang nach Aguas Calientes, ein Ort, der nur für Machu Picchu und dessen Besucher geschaffen zu sein scheint (und es wahrscheinlich auch ist). Nur Hotels und Restaurants gibt es dort. Aber entgegen meiner Vermutung war es nicht teurer als im Zentrum von Cusco, was vielleicht daran liegt, dass zur Zeit noch nicht Hauptsaison ist.

Ein weiterer gelungener Schachzug meiner Planung bestand darin, zwei Nächte in Aguas Calientes zu verbringen. Einige Tourteilnehmer bleiben lediglich eine Nacht und müssen so am selben Tag, an dem sie Machu Picchu besuchen, wieder zurück nach Cusco. Ich hatte hingegen jeweils einen Tag für Anreise, Machu Picchu und Abreise. Dann kam also mein großer Tag. Aufstehen um 4 Uhr 15. Danach eine Viertelstunde Fußmarsch zum ersten Checkpoint. Dieser öffnet um 5 Uhr seine Tore. Gut ein Dutzend andere waren schon da und bevor der Weg freigegeben wurde, reihten sich noch gut hundert weitere Personen in der Schlange ein.

Kurz nach 5, nun durfte man nach oben. Bei anfangs noch vollständiger Dunkelheit ging es nun steil bergauf. Knapp 40 Minuten Treppensteigen so schnell es Beine und Lunge zulassen und die Belohnung für diese Schinderei: Ich bin an diesem Tag der zweite vor dem Eingang zum Machu Picchu. In diesem Fall freut man sich, dass dort oben nochmal 20 Minuten gewartet werden muss. Zusammen mit meinen Mitsteitern musste ich diese optimale Ausgangsposition dann noch gegen die Busfahrerfraktion verteidigen. Die lassen sich da ganz gemütlich hochkutschieren, kommen 10 Minuten später an und stellen sich doch glatt neben einen. So nicht! Bitte hinten anstellen! Haben die dann auch gleich eingesehen.

„Wo müssen wir eigentlich hin, um die guten Bilder zu schießen?“ Wusste keiner. „Finden wir schon.“ Endlich ging es los. Nach 20 Metern war dann eine Entscheidung zu treffen: Rechts oder links? Der linke Weg führte weiter nach oben. Gekauft! Ich vorneweg und die anderen hinterher. „Schiebt es nicht auf mich, wenn das der falsche Weg war“, rief ich noch. Aber kein Grund sich zu entschuldigen. Ein paar Stufen mehr und wir standen tatsächlich da, wo wir hinwollten: Blick auf die Ruinen und den Waynapicchu dahinter. Dieses berühmte Motiv, dass jeder schon mal gesehen hat, aber eben nur im Fernsehen oder auf Postkarten. Ein denkwürdiger und sehr emotionaler Moment für mich.

Die Stimmung war großartig. Jeder stellte sich mit dem größten Vergnügen als Fotograf zur Verfügung, um den anderen Gipfelstürmern ihr wohlverdientes Bild mit noch vollkommen menschenleerem Hintergrund zu ermöglichen. Nach der kurzen Fotosession wurde nochmal abgeklatscht und dann trennten sich die Wege. Ich blieb noch eine Stunde an diesem Ort, der sich nun stetig füllte. Aber das war egal. Dieser Moment gehörte mir und all die anderen Menschen existierten für mich nicht. Es war perfekt.

Nach weiteren sechs Stunden verließ ich die Ruinen wieder und war dabei so glücklich und aufgedreht, dass ich die Treppen zum Tal hinunter sogar gerannt bin. Danach musste ich mich dann doch ein wenig ausruhen, denn Kraft haben diese Tage (inklusive des Rückwegs nach Cusco mit erneut zwei Stunden Laufen und sechs Stunden Busfahrt) schon gekostet. Aber das war es wert. Machu Picchu war ein unvergessliches Erlebnis.

These boots are made for walking

Für viele ist eine mehrtägige Trekking-Tour fester Bestandteil einer jeden Reise. Was mich angeht, dachte ich, dass ich ohne Campingausrüstung mit geführten Touren Vorlieb nehmen müsste. Ein paar von dieser Sorte habe ich auch gemacht und, versteht mich nicht falsch, sie waren allesamt große Klasse. Aber es ist doch etwas ganz anderes, auf eigene Faust unterwegs zu sein. Und im Colca-Canyon im Süden Perus ergab sich für mich tatsächlich die Möglichkeit, drei Tage lang ohne Guide und ohne Zelt zu wandern, nachdem ich in den vorangegangenen Tagen eine sehr ruhige Kugel geschoben und in Tacna und Arequipa die Annehmlichkeiten des peruanischen Stadtlebens genossen habe. Eine handvoll kleiner Dörfer im Abstand von wenigen Kilometern bieten einige preiswerte Unterkünfte und somit findet man praktisch immer ein Bett für die Nacht.

Ausgangs- und Endpunkt meiner Route war das 3600 Meter hoch gelegene Cabanaconde. Gleichgesinnte findet man bereits im Bus oder spätestens auf dem Weg und so ging es zunächst in belgischer, später in irischer Begleitung auf die sehr fordernde aber wunderschöne Strecke. An Tag eins ging es fast nur bergab, und das gut sechs Stunden lang. Als Tagesziel wurde Sangalle auserkoren, auch genannt „Die Oase“. Und in der Tat, dieser Name ist verdient. Bei der Ankunft im Dorf findet man sich nicht auf einer Straße sondern unmittelbar in einem Garten mit Pool wieder. Perfekt zum Ausspannen nach einem anstrengenden Tag möchte man meinen. Aber an Tag zwei kam es sogar noch besser. Diesmal führte der Weg meistens ohne größere Steigungen nach Llahuar. Da gibt es auch Wasser zum Planschen. Nur ist es angenehme 39 Grad warm.

Danach konnte er kommen, der letzte Tag mit dem beschwerlichen Aufstieg nach Cabanaconde. Es hätte auch eine Alternative hierzu gegeben: Ein Bus, der einen bequem nach oben bringt und darüber hinaus Zeit gibt, noch einen halben Tag in den heißen Quellen zu entspannen. Ich bin schon sehr stolz auf mich, diese unheimlich verlockende Option nicht gezogen zu haben. Wiederum gut sechs Stunden ging es nun also fast ausschließlich bergauf. Aber kaum ist man angekommen, ist die ganze Quälerei schon wieder vergessen. Zusammen mit meinen irischen Freunden ging es danach mit dem Bus zurück nach Arequipa und das Abendessen in einem französischen Restaurant war das i-Tüpfelchen auf drei herausragenden Tagen, an denen ich einmal mehr malerische Landschaften gesehen, großartige Menschen getroffen und mir selbst bewiesen habe, dass ich körperlich doch noch ein bisschen was drauf habe.

I’m on a plain … I can’t complain

… und wie das geklappt hat mit Bolivien. Dabei war ich mir kurz nach der Einreise sicher, einen Fehler gemacht zu haben, indem ich mir einen Bus ausgesucht hatte, der um 3 Uhr morgens in Uyuni ankommen sollte. Als dann auch noch der Busfahrer die Frage, ob es denn eine Toilette an Bord gäbe, lachend verneinte (wir seien hier ja „in der Provinz“), machte ich mich auf eine lange und ungemütliche Nacht gefasst. Lang war sie auch. Aber die meiste Zeit genoss ich den Luxus, keinen Sitznachbarn zu haben und das Toilettenproblem ließ sich durch eine auf das nötige Minimum beschränkte Flüssigkeitszufuhr lösen. Ankunft in Uyuni: 4 Uhr. Jetzt schnell ein Hostel finden und dabei in der Dunkelheit nicht überfallen werden. Hat beides geklappt. Also wieder einmal alles halb so wild. Danach gab es einen wohlverdienten Pausetag, an dem nichts weiter auf dem Programm stand, als die mir empfohlene Tour durch den Salar de Uyuni zu buchen. Auch dieses war kein Problem. Touranbieter gibt es unzählige, die Preise sind ähnlich und der Ablauf der Touren nahezu identisch.

Bestens ausgeruht und gestärkt durch einen superleckeren Eintopf von der Straße startete am nächsten Morgen die dreitägige Tour durch die Salzwüste mit Ende in San Pedro de Atacama, Chile. Zu sehen gab es da einiges: Vulkane, Lagunen (manche von Flamingos bewohnt), eine Insel mit Kakteen, Geysire und natürlich die unglaublich große Ebene aus Salz, die sich hervorragend für spektakuläre Bilder mit optischen Täuschungen eignet. Letztere sind nicht mit meinem Handy gemacht worden, deshalb gibt’s leider kein Bild von mir auf der überdimensionierten Wasserflasche. Aber der Rest ist auch ganz schön …

Haben definitv Lust auf mehr gemacht diese knapp fünf Tage in Bolivien. Viel unstrukturierter und viel hektischer als die Nachbarn im Süden, aber sehr charmant. Das chilenische San Pedro de Atacama war dagegen wieder total ungewohnt. Unmengen an Touristen (verständlich bei dem großen Angebot an Touren) und auf der Straße wird mehr Englisch, Deutsch und Französisch als Spanisch gesprochen. Von dem angeblich so entspannten Flair der Wüstenstadt habe ich nichts gespührt. Umso schöner, dass ich mir am Tag meiner Weiterreise nach Arica noch kurz ein Fahrrad ausgeliehen habe, um das Valle de la luna zu erkunden. Das war bei der Affenhitze ziemlich anstrengend aber am Ende der Strecke konnte ich Pause machen und dabei mitten in der Wüste zwei Stunden völlige Stille und Einsamkeit genießen. Sonnenbrand gabs da natürlich auch keinen. Wie an obigen Bildern zu erkennen ist, habe ich bereits in Bolivien meine Sonnenschutzstrategie perfektioniert.

Jetzt bin ich ganz im Norden Chiles und kann es kaum erwarten, nach Peru zu kommen. Und das obwohl mein Wissen über dieses Land sehr überschaubar ist. Machu Picchu, Titicaca-See und sonst … keine Ahnung. Aber genau das macht es ja so spannend.

Endspurt in Argentinien

Mit der Region Salta gab es wieder einige Umstellungen. Es ist deutlich wärmer als im Rest des Landes aber die trockene Luft macht das Ganze relativ erträglich. Viel spannender war die Frage, wie ich mit der Höhe zurechtkomme. Einige Orte liegen über 2000, manche sogar 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Das höchste der Gefühle war eine Tour zum Hornocal auf 4350m und ich stelle erleichtert fest, dass ich mich körperlich ziemlich gut fühle. Das Sportprogramm habe ich in weiser Voraussicht etwas zurückgefahren. Von wegen Höhentrainingslager. Schließlich muss ich in Rio keine Medaillen holen. Besonders schön fand ich ja, dass es endlich wieder Streetfood gab. Kleine Stände, an denen leckere Snacks verkauft wurden, gab’s in den letzten vier Monaten so gut wie nie. Wie ich das vermisst habe.

Was das Programm anging war wieder einmal Tempo angesagt. Wunderhübsche Städte und Dörfer gibt es viele und oftmals sind die Busfahrten durch die sehr abwechslungsreiche und phasenweise spektakuläre Landschaft genauso interessant wie der Zielort. Cachi, Tilcara, Purmamarca und Iruya sind vier dieser Orte, die mich aufgrund ihrer Szenerie besonders begeistert haben. Dazu kamen Ausflüge zu einem Salzsee und dem bereits erwähnten Hornocal, auch bekannt als Hügel der 14 Farben. Eine weitere Neuheit war, dass ich dabei erstmals mit einem Reisepartner unterwegs war. Christophe aus Frankreich hatte ich bei der Unterkunftssuche in Purmamarca kennengelernt. Verbindendes Element war die Liebe zur Musik. Gleich nach meiner Frage, ob ich denn auch mal auf seiner Gitarre spielen dürfe, war das Eis gebrochen. In den folgenden drei Tagen wurden viele schöne Orte besucht und an diesen fleißig musiziert, sowie auch einiges an großartigem Bild- und Videomaterial produziert.

Auch wenn mir diese Region sehr gefallen hat, war meine Stimmungslage in den letzten Tagen ziemlich seltsam. Es gab Tage, an denen der Input fast zu viel war und wenn ich mal bewusst eine Pause eingelegt habe, war mir sofort langweilig. Ein nicht leicht zu lösendes Problem, wie mir scheint. Aber ich denke, das legt sich wieder von allein. Jetzt hoffe ich erstmal, dass in Bolivien alles klappt. Wenn alles so funktioniert wie geplant, sollte ich in weniger als einer Woche wieder in Chile sein. Drückt mir dir Daumen.