Guter Rat muss nicht teuer sein

Ich gebe zu, gelegentlich bin ich schon ziemlich beratungsresistent. Wenn mir jemand einen Tipp gibt, hör ich mir das geduldig an, um dann später doch alles anders zu machen. Glücklicherweise ist das nicht immer so. Manchmal lass ich mich auch von guten Argumenten überzeugen. Im neuesten Fall ging es um die Routenplanung nach Argentinien. Da war die ursprüngliche Idee, die Grenze bei Villa O’Higgins, dem Endpunkt der Carretera Austral, zu überqueren. Ohne euch mit Details zu langweilen: Es ist kompliziert, es ist zeitaufwendig, es ist teuer. Im Grunde ging es mir wie immer ums Prinzip. Die GANZE Carretera Austral bewältigen. Komplett. Aber dass diese Einfälle meinerseits auch in die Binsen gehen können, ist spätestens seit Moorea bekannt. Auch wenn es damals noch geklappt hat, habe ich mir doch vorgenommen, das Schicksal nicht öfter als nötig herauszufordern.

Somit war ich diesmal ganz Ohr, als mir ein Mitreisender, der gerade aus der entgegengesetzten Richtung aus Argentinien kam, von Schwierigkeiten mit der dortigen Fähre erzählte. Er rieht mir von dieser Route ab. Sie sei das Geld nicht wert und erschwerend hinzu kam die Gefahr, da unten mehrere Tage festzusitzen. Also Kommando zurück! Nur noch einen kurzen Abstecher nach Caleta Tortel und dann sollte es über einen konventionelleren Weg nach Argentinien gehen. Caleta Tortel ist ganz anders aber sehr schön. So oder so ähnlich haben es alle gesagt. Und tatsächlich, die Stadt ist ein Hingucker. Kurz nachdem man die Stadt erreicht, muss man sein Gefährt am Parkplatz abstellen, denn Caleta Tortel steht auf Stelzen und ist für Autos nicht zugänglich. Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung „chilenisches Venedig“ gerechtfertigt wäre (im italienischen war ich nie) aber die Assoziation ist unvermeidlich. Auf den vielen verzweigten Holztreppen geht es ständig hoch und runter. Als Backpacker ist man auf diesem Terrain klar im Vorteil. Ein Hostel war schnell gefunden und ich wurde gleich spontan von meinen lieben Zimmerkollegen Andres und Ricardo mit Hühnchen, Kartoffeln und Reis verköstigt. Außerhalb des Hostels schien die Zeit still zu stehen in diesem Ort, der noch mehr Ruhe und Abgeschiedenheit ausstrahlt als die anderen in dieser dünn besiedelten Gegend. Ich war nur 24 Stunden dort aber dieser eine Tag hat sehr gut getan.

Voller Tatendrang ging es dann wieder zurück. Eigentlich wollte ich es weitestgehend vermeiden, die selbe Strecke nochmals zurückzulegen. Aber in diesem Fall war es großartig. Der Blickwinkel ist eben doch ein anderer und so gab es auf dem Rückweg nach Cochrane doch noch viel Spannendes zu sehen. Dort wurde noch einmal Halt gemacht, bevor es dann zur (vorerst) letzten Station in Chile gehen sollte. Chile Chico an der argentinischen Grenze lautete das Ziel und was bin ich froh, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe. Einen ganzen Tag hat es gedauert von Cochrane nach Chile Chico zu gelangen und im Nachhinein war es einer der schönsten wenn nicht sogar der schönste Tag auf meiner Reise. Und das nicht, weil alles perfekt gelaufen wäre. Solche Tage gibt es auch (der in Caleta Tortel war einer von dieser Sorte). Nein, dieser Tag war so herausragend, weil er alles zu bieten hatte, was das Reisen (für mich zumindest) ausmacht: Sich ein Ziel setzen, diesen Plan mehrmals anpassen oder ganz verwerfen, warten, auf Hilfe hoffen, dabei fast verzweifeln, unverhofft auf großartige Menschen treffen, schöne Dinge sehen und an Orte gelangen, die man gar nicht auf dem Zettel hatte. Sowas passiert also, wenn ich Ratschläge annehme. Vielleicht mach ich das jetzt öfter.

In Chile Chico wird jetzt noch ein Tag Pause für Organisatorisches eingelegt und morgen geht’s nach Argentinien. Chile hat mir wahnsinnig gut gefallen. Vor allem Valparaíso und die Carretera Austral. Das war nochmal ein ganz anderes Reisen. Zwei Wochen, in denen der Weg das Ziel war, denn schöne Städte gab es mit Ausnahme von Caleta Tortel keine mehr. Zwei Wochen, die landschaftlich einiges zu bieten hatten und zwei Wochen, die die Antwort auf die Frage gaben, an welchem Ort die Deutschen in der Minderheit sind. Ich habe in dieser Zeit mit keinem Landmanns/ keiner Landsfrau gesprochen. Nur zwei dreimal hat man jemanden Deutsch sprechen hören. Die überwältigende Mehrheit der Reisenden kommt tatsächlich aus Chile. Meistens junge Leute, die in kleinen Gruppen unterwegs sind. Sie fahren meist nur per Anhalter und haben nicht selten Musikinstrumente und Equipment zum Jonglieren wie Bälle oder Keulen dabei. Ein Zelt hat jeder, im Gegensatz zu mir. Es hat mir sehr imponiert, mit welchem Optimismus sich hier viele auf den Weg machen, ihr Land zu sehen.

Jetzt freu ich mich zwar erst auf Argentinien, aber ich habe auch schon große Lust, (so wie ich es schon von vornherein geplant hatte) später Chiles Norden zu bereisen. Dort wartet unter anderem die Atacama. Das ist aber Zukunftsmusik. In den nächsten Tagen heißt es warm anziehen im argentinischen Teil Patagoniens. Chile hat sehr ordentlich vorgelegt. Argentinien, jetzt bist du am Zug …

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